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Juli 2022
Liebe Leserschaft,
Unsicherheit entsteht meist durch Unwissen. Wo kommen wir her, wo gehen wir hin? Diese Fragen treiben die Menschheit seit Jahrtausenden um. Oft bewegen wir uns im diffusen Nebel der Spekulation. Bringt uns die kommende Woche neue Rekordtemperaturen oder doch „nur“ sommerliche Hitze? Dreht Putin den Gashahn wieder auf oder bleiben die Duschen bald kalt? Und wie entwickelt sich Corona? Je weniger wir wissen, desto mehr wird spekuliert, prognostiziert und gedeutet. Auf allen Kanälen, von früh bis spät. Was den Lauf der Dinge nicht ändert, aber viele Menschen sehr verunsichert.
Sicherheit entsteht durch Wissen. Mit unserer Sommer-Ausgabe, gespickt mit Themen von hoher Praxisrelevanz, möchten wir Ihr Wissen mehren und Ihnen zugleich entspannte Sommerferien wünschen.
Es grüßt Sie auf das Herzlichste!
Ihr TEAM SCHARFE
Unternehmer & Unternehmen
Mindestlohn und Grenze für Minijobs: Erhöhung ab 1. Oktober 2022
Der Bundestag hat der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2022 zugestimmt. Zudem wurden Änderungen bei Mini- und Midijobs beschlossen. Der Bundesrat hat am 10. Juni 2022 „grünes Licht gegeben“.
Die Mindestlohnkommission berät alle zwei Jahre über Anpassungen bei der Höhe des Mindestlohns. Von diesem Prozedere wurde nun einmalig abgewichen. In 2022 gelten diese Beträge:
- ab 1. Januar 2022: 9,82 Euro pro Stunde
- ab 1. Juli 2022: 10,45 Euro pro Stunde
- ab 1. Oktober 2022: 12 Euro pro Stunde
Derzeit gilt für eine geringfügige Beschäftigung eine monatliche (statische) Grenze von 450 Euro. Diese wurde nun dynamisch ausgestaltet: Die Geringfügigkeitsgrenze bezeichnet das monatliche Arbeitsentgelt, das bei einer Arbeitszeit von zehn Wochenstunden zum Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 S. 1 des Mindestlohngesetzes erzielt wird. Sie wird berechnet, indem der Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und auf volle Euro aufgerundet wird. Das heißt: Bei einem Mindestlohn von 12 Euro ergibt sich daraus eine Geringfügigkeitsgrenze von 520 Euro (12 Euro x 130 / 3).
Die Höchstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich – hier gelten verminderte Arbeitnehmer-Beiträge zur Sozialversicherung – wurde von monatlich 1.300 Euro auf 1.600 Euro angehoben (Midijob). Oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze wird der Arbeitgeberbeitrag zunächst auf die für einen Minijob zu leistenden Pauschalbeiträge in Höhe von 28 % angeglichen und gleitend auf den regulären Sozialversicherungsbeitrag abgeschmolzen.
Stundenzettel bei Minijobbern
Besondere Aufzeichnungspflichten für Minijobber! Arbeitgeber, die Minijobber beschäftigen, müssen für jeden Minijobber innerhalb von sieben Tagen Beginn, Ende und Dauer der Arbeit erfassen. Aufzeichnungspflichtig sind auch Krankheits- und Urlaubstage. Die Arbeitszeiterfassung ist nicht an eine besondere Form gebunden und muss auch nicht elektronisch erfolgen (BT-Drucks. 19/6686).
Die Aufzeichnungspflichten ergeben sich aus dem Mindestlohngesetz (§ 17 MiLoG). Sie gelten für alle Arbeitgeber und nicht nur für Angehörige der besonderen Branchennach dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit. Bei Familienangehörigen entfallen die Aufzeichnungspflichten im Regelfall. Bei einer GmbH kommt es auf das Verwandtschaftsverhältnis bzw. auf die Beziehung des Geschäftsführers an. Für die steuerliche Anerkennung eines Minijob-Verhältnisses sind Aufzeichnungen betreffend die Arbeitszeit, z. B. Stundenzettel, nicht zwingend erforderlich (BFH Urteil vom 18.11.2020, VI R28/18).
Einkommen steuer
Bundesfinanzhof bestätigt Rechtsprechung zur Einkünfteerzielungsabsicht
Bei einer auf Dauer angelegten, auf Wohnimmobilien bezogenen Vermietungstätigkeit ist typisierend von einer Einkünfteerzielungsabsicht (= keine Liebhaberei) auszugehen. Ob der Steuerpflichtige tatsächlich einen Totalüberschuss erzielt, ist unerheblich, da es zu einer dies überprüfenden Prognose nicht kommt. In einem aktuellen Beschluss hat der Bundesfinanzhof damit seine bisherige Rechtsprechung bestätigt.
Beachten Sie: Demgegenüber gilt bei Immobilien, die nicht Wohnzwecken dienen (sogenannte Gewerbeimmobilien), die Typisierung der Einkünfteerzielungsabsicht nicht. Hier muss im Einzelfall geprüft werden, ob der Steuerpflichtige beabsichtigt hat, auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Den Steuerpflichtigen trifft insoweit die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht.
Abgeltungsteuer auf dem Prüfstand
Einkünfte aus Kapitalvermögen werden mit einer 25%igen Kapitalertragsteuer zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuern besteuert (sogenannte Abgeltungsteuer). Der Steuersatz gilt hierbei unabhängig von der Höhe der Kapitaleinkünfte. Alle übrigen Einkünfte werden hingegen zum jeweiligen progressiven Steuersatz besteuert. Dieser ist abhängig von der Höhe des zu versteuernden Einkommens.
Der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts/FG hält die Abgeltungsbesteuerung der Kapitaleinkünfte in der gegenwärtigen Form für mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar. Der Senat hat daher das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen (Vorlagebeschluss FG Niedersachsen vom 18.3.2022, 7 K 120/21)
Umsatzsteuer
Umsatzsteuerliche Organschaft: Wer ist Steuerpflichtiger?
Der Bundesfinanzhof hat dem Europäischen Gerichtshof vor einiger Zeit u. a. die Frage vorgelegt, wer bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft die Umsatzsteuer schuldet. Ist es – wie es das deutsche Umsatzsteuergesetz (UStG) vorsieht – der Organträger oder vielmehr der Organkreis (also die Mehrwertsteuergruppe)? Inzwischen liegen die Schlussanträge der Generalanwältin vor. Sollte der Europäische Gerichtshof der darin ausgeführten Sichtweise folgen, könnte dies immense Auswirkungen für deutsche Organschaften haben.
Aktuell regelt das deutsche Umsatzsteuerrecht, dass die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbstständig ausgeübt wird, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln.
Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft führt also zu einer Zusammenfassung mehrerer Unternehmen zu einem Steuerpflichtigen. Demzufolge werden Leistungsbeziehungen zwischen diesen Unternehmen nicht mehr besteuert.
Der Organträger ist Steuerschuldner auch für die Umsätze, die andere eingegliederte Organgesellschaften gegenüber Dritten ausführen.
Die Generalanwältin Laila Medina hält die deutsche Regelung im Grundsatz für nicht EU-rechtskonform.
Im Gegensatz zum deutschen Recht hält die Generalanwältin auch steuerpflichtige Umsätze zwischen den Gruppenmitgliedern für möglich. Dies hat der Europäische Gerichtshof aber bisher anders gesehen.
Sofern hier der Sichtweise der Generalanwältin gefolgt wird, ist nicht mehr der Organträger Steuerschuldner für die Umsätze der Organschaft. Insofern dürften die gegen den Organträger erlassenen Umsatzsteuer-Bescheide rechtswidrig sein.
Daher steht im Raum, dass die an das Finanzamt abgeführte Umsatzsteuer zurückverlangt werden kann, wenn dies verfahrensrechtlich noch möglich ist. Es ist jedoch ebenfalls vorstellbar, dass letztlich „kreative Lösungen“ gefunden werden, um einen fiskalischen Totalausfall zu vermeiden.
Grundsätzlich (unter Ausblendung des Einzelfalls) ist zu empfehlen, etwaige Umsatzsteuer-Festsetzungen vorerst offenzuhalten.
Verfahrens-recht
Gesetzgeber senkt Zinssatz auf 1,8% pro Jahr
Der Gesetzgeber hat die Höhe des Zinssatzes für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach §§ 233a, 238 AO nunmehr von bislang 6% pro Jahr auf 1,8% pro Jahr gesenkt.
Der neue Zinssatz gilt für Verzinsungszeiträume ab 01.01.2019. Dies haben Bundestag (am 23.06.2022) und Bundesrat (am 08.07.2022) beschlossen. Damit will der Gesetzgeber seiner Verpflichtung aus dem Urteil des BVerfG vom 08.07.2021 nachkommen, die Höhe der Zinsen nach § 233a AO neu zu regeln.
Mit der aktuellen Änderung der Zinsen nach § 233a, 238 AO versucht der Gesetzgeber eine Orientierung an der Marktlage und will mit der festgeschriebenen Evaluierungspflicht für eine künftig regelmäßige Anpassung des Zinssatzes an die Marktlage sorgen. Zunächst war eine solche Evaluierung für zumindest alle drei Jahre (beginnend spätestens zum 01.01.2026) geplant. In der dritten Lesung hat der Bundestag diesen Zeitraum dann auf zwei Jahre verkürzt (erste Evaluierung bis spätestens 01.01.2024).
Leider versäumt es der Gesetzgeber, bei dieser Gelegenheit auch gleich die Zinsregelungen der Abgabenordnung weitergehend zu reformieren. So bleibt es für alle anderen Zinsarten (bei Aussetzung der Vollziehung, Stundung, Hinterziehung, Prozessführung) bei 6% pro Jahr. Weitere gerichtliche Streitigkeiten sind damit vorprogrammiert.
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